Erste Hilfe auf der Matte, Kyūsho-Punkte und Notwehrrecht (25.3.2017)

Einen Dan-Träger zeichnet mehr aus, als nur das rein technische Können in Theorie (die jeweiligen Techniken einzeln oder in Kombination) und Praxis (die Umsetzung im Rahmen der Selbstverteidigung). Über diese Aspekte hinaus sollte ein Dan-Träger zusätzliche Kompetenzen vorweisen. Ein Teil dieser Qualifikationen wird bei dem jährlichen Lehrgang vermittelt, welcher dieses Jahr in Düsseldorf stattfand.

Den Anfang machte Dr. Heinrich Schorn, 8. Dan, mit dem Thema Erste Hilfe beim Budo-Sport. Wer jedoch einen trockenen, ermüdenden Vortrag erwartete, wurde schnell enttäuscht: Der Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie sowie physikalische Therapie gestaltete sein Seminar sehr interaktiv und bezog die Anwesenden die ganze Zeit über mit ein. So konnte er nicht nur deutlich tiefer in die komplexe Materie eintauchen, sondern sich zugleich auch einen guten Eindruck über die bereits vorhandenen anatomischen Kenntnisse der Budoka verschaffen. So wurden nicht nur die korrekten Vorgehens- und Verhaltensweisen bei allen möglichen Sportverletzungen behandelt, sondern auch der Aufbau der empfindlichsten Gelenke sowie die verschiedenen Arten von Verletzungen analysiert. Dr. Schorn hätte die Teilnehmer sicherlich noch lange weiter begeistern können, allerdings läuteten die Düsseldorfer Gastgeber mit Kaffee und frischen Waffeln mit heißen Kirschen und Schlagsahne das Ende der ersten Einheit ein.

Den zweiten Lehrgangsteil übernahm Daniel von Ey, 5. Dan, mit seinem Vortrag über die gesetzlichen Aspekte im Selbstverteidigungsfall. Der Polizeioberkommissar erläuterte zunächst die rechtlichen Grundlagen von Notwehr und Nothilfe, um dann auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale und juristischen Voraussetzungen einzugehen. Anschließend erklärte er die erweiterten Reglements wie Notwehrexzess oder Putativnotwehr (Scheinnotwehr). Dabei war es ihm wichtig, die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben nicht nur zu beschreiben, sondern sie auch mit Fallbeispielen zu veranschaulichen und sich Zeit für Fragen und Diskussionen zu nehmen, um sicherzustellen, dass es alle Lehrgangsteilnehmer verstanden haben. Der Unterrichtsinhalt beschränkte sich nicht nur auf die relevanten Paragraphen des Strafgesetzbuches, sondern wurde mit entsprechenden Passagen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Waffengesetz ergänzt.

Nach so viel komplexem Theoriewissen machte der letzte Seminarteil mit Bewegung und Praxis die Teilnehmer wieder munter. In diesem widmete sich Dr. Heinz Schorn einem Thema, das im Jiu Jitsu eine sehr große Rolle spielt, oft jedoch nicht die angemessene Beachtung findet: die Ausnutzung von Kyūsho-Punkten, also empfindlichen Stellen des Körpers. Der erfahrene Facharzt behandelte das Thema fernab von jeglichem Mystizismus aus dem wissenschaftlichen Blickwinkel westlicher Schulmedizin. Wer dem Thema skeptisch gegenüber stand, musste sich sehr schnell am eigenen Körper von der Wirksamkeit der gezeigten Techniken überzeugen. Schmerzverzerrte Gesichter und die entsprechende Geräuschkulisse erfüllten das ganze Dojo. Dabei zeigte Dr. Schorn nicht nur den praktischen Nutzen für die Selbstverteidigung, sondern erklärte auch den medizinischen Hintergrund sowie den im Körper verursachten Effekt der jeweiligen Technik und vermittelte so weiteres Zusatzwissen. Erst gegen 20 Uhr endete der Lehrgang, von dem die erschöpften Teilnehmer jedoch sehr viel mitnehmen konnten.