Selbstverteidigung für (und mit) Menschen mit Behinderungen

Unser alljährlicher Lehrgang „Selbstverteidigung für und mit Menschen mit Behinderungen“ fand am Samstag, 14. September, in Köln statt. Ausrichter war wie immer der TuS Rondorf e.V. unter der Federführung von Karl-Heinz Muhs. Allerdings gab es dieses Mal ein paar Veränderungen. Als Referenten fungierten Adam Kraska (6. Dan Jiu-Jitsu, 3. Dan Aiki Jutsu), Nils van der Poel (1. Dan Jiu-Jitsu, Übungsleiter C) sowie erstmals Susanne Hoffmann (Trainerin Kickboxen). Bedauerlicherweise meldeten sich die meisten Teilnehmenden erst sehr kurzfristig an, was die Planung sowohl des Lehrgangs als auch des gemeinsamen Grillabends erheblich erschwerte.

In den vergangenen Jahren glänzte das Teilnehmerfeld durch ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen Menschen, die selbst von einer Behinderung oder Einschränkung betroffen waren, und Übungsleitern, die ihre pädagogischen Fähigkeiten auf diesem Gebiet erweitern wollten. Von diesem ausgewogenen Verhältnis profitierten letztendlich alle Anwesenden. Überraschenderweise gehörten die meisten Teilnehmenden in diesem Jahr zu der Gruppe der Übungsleiter. Auch wenn die Bereitschaft und der Wille so vieler Vereine und Trainer, sich intensiver mit dieser Thematik zu befassen, sehr zu begrüßen ist, so war das unausgewogene Verhältnis natürlich nicht optimal. Karl-Heinz Muhs reagierte auf die neue Sachlage spontan und passte den Lehrgangsablauf entsprechend an.

Nach der Begrüßung und Vorstellung des neuen Ablaufs erarbeiteten die Teilnehmenden unter der Aufsicht der Referenten in Gruppen verschiedene Fragestellungen, mit denen man sich befassen sollte, um die Inklusion optimal zu gewährleisten. Anschließend wurden die Ergebnisse präsentiert, gemeinsam besprochen und ergänzt. Die Teilnehmenden konnten hier von der langjährigen Erfahrung von Karl-Heinz Muhs profitieren, der sich seit vielen Jahren sowohl im TuS Rondorf e.V, als auch innerhalb des DFJJ NW e.V. intensiv mit Theorie und Praxis erfolgreicher Inklusion beschäftigt.

Im ersten praktischen Block ging es darum, den Übungsleitern ein Gefühl zu vermitteln, wie es zum Beispiel ist, plötzlich zu erblinden. Mit verbunden Augen musste mit Hilfe einer Begleitperson ein Parcours überwunden und verschiedene Aufgaben gelöst werden – auch ein Rollstuhl kam hier zum Einsatz. Selbstverständlich wurden die Rollen auch getauscht: jeder sollte beide Seiten erleben, sowohl den Verlust eines elementaren Sinnes als auch die Herausforderungen eine ungeschulte und ungeübte Begleitperson zu sein. Die kleinere Gruppe der Teilnehmenden mit einer Behinderung nahm ebenfalls fleißig daran teil. Für sie galt es vor allem die eigenen Grenzen, aber auch die eigenen Fähigkeiten auszutesten und Selbstvertrauen zu steigern.

Anschließend teilten sich die Teilnehmenden in drei Gruppen auf, um die einzelnen Referenten aufzusuchen. Nach jeweils 50 Minuten Training gab es eine Pause und dann rotierten die Gruppen zum nächsten Referenten. Selbstverständlich hatte Karl-Hein Muhs auch dieses Mal für genügend Wasserflaschen sowie diverse Snacks gesorgt und tatkräftige Helferlein des TuS Rondorf hatten verschiedene Kuchen gebacken – alle waren bestens versorgt.

Das Selbstverteidigungstraining deckte verschiedene Bereiche ab: von der altbewährten Kiai-Urschreitherapie, über Aggressionsaufbau und Kontrolle, Schlagtraining an den Pratzen, Erproben von empfindlichen Druckpunkten an sich selbst und am Partner (mit bloßer Hand sowie mit Kubotan oder Kugelschreiber!) bis zu ein paar bewährten, aber einfach erlernbaren Techniken. Dabei gingen die Referenten auch individuell auf vielfältige Fragen der Teilnehmenden ein, insbesondere jener mit einer Behinderung:
– was kann ich mit meiner Einschränkung überhaupt machen?
– wie kompensiere ich Gleichgewichts- oder Bewegungsstörungen?
– wie baue ich trotz „schwacher Muskulatur“ ausreichend Kraft auf, um mich effektiv gegen einen stärkeren Angreifer verteidigen zu können?
– was passiert, wenn ich dabei hinfalle?
– was kann ich in meinem Alter noch machen?
Auf solche Fragen antworteten die Referenten kompetent. Auf diese Weise profitierte nicht nur der Fragesteller, sondern alle Anwesenden erheblich von diesen Gesprächen und nahmen einige neue Inspirationen mit.

In einem abschließenden Gespräch fasste Karl-Heinz Muhs nochmals die wichtigsten Erkenntnisse zusammen, bevor es an die finale Frage- und Feedbackrunde ging. Die meisten waren begeistert von dem Lehrgang, als einzige Kritik wurde das unausgewogene Verhältnis des Teilnehmerfelds angesprochen, welches die Referenten jedoch nicht beeinflussen konnten. Dennoch werden sich im kommenden Jahr die Veranstalter bemühen, den Lehrgang mehr zu bewerben und deutlicher hervorzuheben, dass dieser nicht nur für Übungsleiter, sondern vor allem für Menschen mit Behinderungen selbst geeignet ist. Hungrig und erschöpft begaben sich dann fast alle in einen nur 5 Minuten entfernten Kleingarten, wo bereits das heiße Grillgut wartete.

Im Nachgang werden alle Teilnehmenden in wenigen Tagen einen Link zu einem Dropbox-Download per Email erhalten. Dort finden sie nicht nur ein paar Fotos und Videos, die während der Lehrgangs gemacht wurden, sondern auch diverses nützliches Material: von allen Flipcharts sowie Gruppenergebnissen wurden Fotos gemacht, darüber hinaus verfassten die drei Referenten kurze Resümees ihres Unterrichts und ihrer Empfehlungen. Zusätzlich stellte Karl-Heinz eine Auswahl wichtiger Quellen, Adressen und Anlaufstellen, die für das Thema Inklusion wertvoll sind.